"The Knowledge Machine" von Michael Strevens
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In seinem Buch “The Knowledge Machine” will der Philosoph Michael Strevens erklären, warum die Wissenschaft so gut darin ist, die Wahrheit zu ergünden und warum es so lange gedauert hat, bis sich die Wissenschaft in ihrer heutigen, modernen Form entwickelt hat. Er leitet dabei eine sehr plausible “eiserne Regel der Wissenschaft” her, stellt dabei fast spielerisch die zentralen Positionen der Wissenschaftsphilosophie vor und verbindet sie zu seinem eigenen Ansatz. Gleichzeitg schreibt er auch noch äußerst unterhaltsam und sehr gut nachvollziehbar
Zusammenfassung
Introduction: The Knowledge Machine
Zwei Fragen stehen im Zentrum des Buchs:
- Wie funktioniert Wissenschaft wirklich und warum ist sie so gut darin, die Wahrheit zu ergründen?
- Warum hat es so lange gedauert, bis sich die Wissenschaft entwickeln konnte?
I. The Great Method Debate
Für Popper basiert wiss. Fortschritt auf der unbändigen kritischen Motivation der Forschenden. Für Kuhn hingegen auf dem unbeirrbaren Glauben an das geltende Paradigma, das dann soweit getrieben wird, dass es unweigerlich an seine Grenzen stoßen muss.
Zahlreiche prominente Beispiele zeigen jedoch, dass die Wissenschaft keineswegs objektiv die Beweislage überprüft. Vielmehr finden soziale Aushandlungs und Machtprozesse statt. Was jedoch einer strengen Methode folgt, ist die Messung. Damit ist Wissenschaft nicht vollkommen strukturlos, wie Latour und radikale Konstruktivisten argumentieren.
Die Interpretation von Daten ist immer subjektiv geprägt. Aber eben nicht willkürlich. Sie lässt sich beispielsweise entlang der Plausibilität der Hilfsannahmen strukturieren, die die Verbindung zwischen Daten und Interpretation herstellen.
II. How Science Works
Der Wissenschaft liegt eine eiserne Regel zugrunde die aus zwei Komponenten besteht :
- Nur empirische Daten zählen als Beleg
- Daten müssen so erhoben werden, dass sie ganz klar eine von zwei Hypothesen bestätigen und der anderen widersprechen. Diese gemeinsame Regel strukturiert wiss Forschung und vereint sie. Sie schafft klare Kriterien, innerhalb derer dann breiter Dissens moglich ist. Bis es Daten gibt. Ein Auseinanderbrechen der Wissenschaft in unterschiedliche Schulen bzw Paradigmen kann so nicht erfolgen.
Wissenschaft funktioniert darüber, dass Theorien drei Dinge erklären müssen wie Bacon beschrieben hat:
- Alle Anwesenheiten eines Phänomens
- alle Abwesenheiten und
- alle Korrelationen. Dieser Nachweis erfolgt jedoch nicht in einem Heureka-Moment, sondern über die Zeit, in der sich immder mehr Daten ansammeln und auf eine Theorie konvergieren (“Baconian Convergence”).
Um Wissenschaft betreiben zu können, müssen wir minimale Unterschiede sehr genau messen können.
The Four Innovations That Made Modern Science:
- A notion of explanatory power on which all scientists agree
- A distinction between public scientific argument and private scientific reasoning
- A requirement of objectivity in scientific argument (as opposed to reasoning)
- A requirement that scientific argument appeal only to the outcomes of empirical tests (S. 119)
Erklärungen in der Wissenschaft müssen empirischen Tests standhalten. Eine kausale Geschichte ist zwar hilfreich, alleine aber nicht ausreichend.
derivation rather than comprehension that is paramount.”” (S. 146)
Quantenmechanik ist ein perfektes Beispiel dafür, dass ein Zusammenhang nicht verstanden ist, aber berechnet werden kann. Und das ist der Kern der Iron Rule.
In wissenschaftlichen Papieren werden alle subjektven Annahmen ausgeblendet. Damit sind die Paper logisch unvollständig .
Die Stabilität wissenschaftlicher Texte sorgt dafür, dass die Regeln den Spiels klar und nachvollziehbar bleiben. Zudem hilft sie dabei, Daten neutral zu archivieren, auf die jeder Forschende dann sein eigenes subjektives Plausibilitätsrating legen kann.
Philosophisches oder theologisches Denken haben keinen Platz in der offiziellen Wissenschaft und wurden auch vom Alchemisten Newton streng separat gehalten.
III. Why Science Took So Long
Die Iron Rule konnte nicht früher entstehen, weil sie auf den ersten Blick wie eine intellektuelle Veramung wirkt, indem sie mögliche Quellen von Wissen grundsätzlich ausschließt. Glechzeitig ist sie schwer mit religiösem Glauben zu vereinen, der über Jahrhunderte das Weltbild der Menschen prägte .
Die Iron Rule verwirft allerdings auch hilfreiche Perspektiven wie bspw. die Suche nach Ästhetik die uns viele nützliche Einsichten beschert hat.Hier ist Strevens aber inkonsequent, denn die Ästhetik begründet nicht die Wahrheit, sondern generiert Hypothesen. Die Wahrheit an sich wird dann doch wieder nach der Iron Rule bestätigt.
luck is neither a nutritious nor a delicious explainer. (S. 245)
Die eiserne Regel konnte entstehen, weil zu dieser Zeit in Europa ohnehin ein neues Denken gefragt war: Sowohl die Autorität der Kirche war untergraben, als auch die der antiken Philosophie und so bedurfte es neuer Gedanken und Ideen, um das Denken zu strukturieren und auf diese Weise konnte die eiserne Regel entstehen.
Es war jedoch noch ein zweiter Punkt notwendig, damit Sie sich auch durchsetzen konnte: Die eiserne Regel konnte nur deswegen funktionieren, weil sie nur öffentliche Äußerungen, öffentlich formuliertes Denken ihren streng Anforderung unterwarf. Im 17. Jahrhundert war genau diese Trennung jedoch gerade sehr stark, weil nationalstaatliche und religiöse Logiken gegeneinander arbeiteten. Hier gab es also zwei gesellschaftliche Welten, die in Übereinklang gebracht werden mussten. Deswegen entwickelten sich ohnehin strenge Normen für die öffentliche und offizielle Kommunikation. Diese Trennung konnte das wissenschaftliche Denken aufgreifen und sich auf diese Weise etablieren.
IV. Science Now
Damit Wissenschaftler sich auf die empirischen Dimension ihrer Frage konzentrieren, braucht es eine gewisse Grundlage. Strevens schlägt hier vor, dass dies durch Moralisieren passieren könnte oder dadurch dass Wissenschaftler:innen einfach keine andere Denkweise kennen als die empirische. Beides sieht er in der modernen Wissenschaft gegeben: So gibt es die Prediger des Empirismus wie Dawkins, Hutchins oder deGrasse-Tyson. Und er beobachtet, dass in der wissenschaftlichen Ausbildung alles andere neben der empirischen Methode keine Rolle spielt, was dazu führt dass Wissenschaftlerinnen hier sehr eng ausgebildet sind.
Daraus zieht er den Schluss, dass eine gute Wissenschaft grundsätzlich eine gewisse Unmenschlichkeit implizieren muss. Sie ist in der Lage wissen zu generieren, aber nicht unbedingt das hervorzubringen, was für den Menschen gut ist.
Wissenschaft kann nur funktionieren, wenn sie alles andere als die empirische Beobachtung ausschließt. Sie steht damit der humanistischen Idee fundamental entgegen, die die Vereinigung von Wissen und Denken aus allen Bereichen anstrebt.
Wir müssen die Wissenschaft nicht besser machen, indem sie flexibler machen, offener machen oder auf ein breiteres Fundament stellen. Wir sollten sie vielmehr genau das machen lassen, was sie so gut kann: kompromisslos nach Wissen suchen. Gleichzeitig sollten wir als Gesellschaft aber anstreben, sie auf die richtigen Fragen anzusetzen und ihre Resultate angemessen zu interpretieren und einzubinden.