"Narrative Economics" von Robert J. Shiller

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    In “Narrative Wirtschaft” stellt Robert J. Shiller die These auf, dass gesellschaftliche Narrative einen großen Einfluss auf ökonomische Ereignisse haben. Er rekonstruiert anschließend die Wirtschaftsgeschichte aus der Perspektive der Narrative und zeigt dabei auf, welches Potenzial in dem Ansatz steckt, aber auch, wie unzureichend das ökonomische Handwerkszeug in diesem Kontext ist.

    Notizen

    Preface: What Is Narrative Economics?

    I focus on two elements: (1) the word- of- mouth contagion of ideas in the form of stories and (2) theefforts that people make to generate new contagious stories or to make stories more contagious. (S. 21)

    Shiller will die Rolle analysieren, die Narrative in der ökonomischen Entwicklung spielen. Er sieht diese Idee bereits bei Keynes angelegt, im Anschluss daran aber sträflich ignoriert. Für ihn prägen Narrative die Erwartungen auf deren Grundlage Individuen ökonomische Entscheidungen treffen und damit makroökonomische Entwicklungen prägen.

    Neoklassische Ökonomie sieht sich nicht als Wissenschaft der Erzählungen sondern der Daten und des Handelns. Sie versteht sich nicht als moralisch sondern rational und modelliert auch die handelnen Person entsprechend. Dabei ist ihre Prognosefähigkeit historisch jedoch sehr gering, während z.B. Keynes auf der Grundlage der erwarteten emotionalen Reaktion auf den Vertrag von Versailles sogar den zweiten Weltkrieg vorhersagte.

    Part I. The Beginnings of Narrative Economics

    Bitcoin ist ein perfektes Beispiel für ein Narrativ, das ökonomisches Handeln beeinflusst. Es ist in den letzten Jahren extrem populär geworden, ohne dass sich ein tatsächlicher Nutzen über Spekulationsgewinne hinaus gezeigt hätte. Es verbindet einen rätselhaften Ursprung mit einer anarchistischen Idee, dem Versprechen ökonomischer Kontrolle und einem Gefühl, Teil der Zukunft zu sein.

    Narrative folgen oft dem Verlauf einer Epidemie, die an- und abschwillt, je nachdem, wie hoch die Anzahl der Neuansteckungen und der Heilungen ist. Auch die Popularität ökonomischer Theorien folgt einem solchen Modell. Dazu kommt, dass oft mehrere kleine Narrative eine große übergreifende Erzählung stützen, oder dass mehrere kleine Narrative zwar nicht inhaltlich verbunden sind, aber in dieselbe Richtung wirken.

    Welche Narrative viral gehen, lässt sich kaum vorhersagen. Es können kleine Veränderungen oder Verschiebungen sein, die dafür sorgen, dass ein Narrativ sich verbreitet und eines nicht. Narrative schließen dabei an den spezifisch menschlichen Impuls an, hinter allen Ereignissen eine Geschichte am Werk zu sehen und helfen so dabei, die Welt zu “verstehen”.

    Mit der Laffer Kurve rekonstruiert Shiller eine große Erzählung als Teil einer ganzen Konstellation an Erzählungen über Steuern und den Staat, die in den 1970ern zu massiven Steuersenkunngen führten und die Supply Side Economics erstarken ließen.

    Our brain is wired to respond emotionally to stories esp. if they activate fear. And stories have gone viral for a while now.

    “Phools,” as George Akerlof and I call them, who do not think about the marketing efforts, are apt to think that events exogenously give us the news by jumping out at us. But, in fact, the news media are choosing the news because their financial success depends on their stories’ viral impact. (S. 115)

    Part II. The Foundations of Narrative Economics

    Shiller zeigt anhand von Phänomenen wie Flashbulb Memories und Fake News auf, dass Narrative sich tatsächlich kausal auf ökonomische Phänomene auswirken und nicht andersherum.

    Part III. Perennial Economic Narratives

    Wirtschaftsgeschichte wird meist aus der Perspektive von Ereignissen erzählt. Shiller will sie jedoch aus der Perspektive der Narrative in den Blick nehmen.

    Im Mittelpunkt der Erzählung über die Great Depression steht der Verlust des Vertrauens in die Banken und den Finanzmarkt. Dieses Narrativ hat auch im Abschluss die Interpreration weiterer großer Krisen geprägt.

    It is not a dream of motor cars and high wages merely, but a dream of a social order in which each man and each woman shall be able to attain to the fullest stature of which they are innately capable, and recognized by others for what they are, regardless of the fortuitous circumstances of birth or position. (S. 231)

    In der großen Depression dominierte eine Erzählung der Sparsamkeit und des gemeinsamen Durchleidens. Es wurde sogar chic, nach außen arm zu wirken. Der deswegen aufgeschobene Konsum sorgte vermutlich für eine Verlängerung der Krise. Im Kontrast dazu enstand nach 1931 die Idee des American Dream, die Patriotismus und Bürgerrechte mit dem Konsum und Hausbesitz verband und diese dadurch moralisch aufwertete.

    Im Rahmen der großen Depression kam die Erzählung auf, dass Maschinen in Zukunft den Menschen die Arbeit wegnehmen und die Industrie mehr produzieren könne als jemals gekauft werden könne.

    Lange Zeit waren Immobilien nur mit den Kosten für Bau und Instandhaltung verbunden. Damit waren sie fur Spekulation irrelevant. Diese konnte erst aufkommen, als der Wert von Grundstücken relevant wurde. Großflächige Spekulation wurde dann erst möglich, als Indizies aktuelle Entwicklungen der Preise transparent machen konnten.

    Der Crash von 1929 wirkt in der amerikanischen Wahrnehmung nach - als Warnung vor dem überraschenden Ende eines Booms. Zudem ist er moralisch aufgeladen als vorgebliche Strafe für die moralschen Übertretungen der 1920er.

    In den beiden Rezessionen 1920/21 und in den 1930ern spielte Konsumzuruckhaltung eine wichtige Rolle. 1920 entstand diese aus Boykottaufrufen gegenüber den durch die Inflation gestiegenen Preisen, die Unternehmen den Vorwurf einbrachte, Profiteure zu sein. Die Gehälter blieben hier aber flexibel, weswegen die Rezession bald endete. In den 1930ern waren die Gewerkschaften stärker und die Unternehmen konnten den Umsatzverlust nicht ausgleichen.

    Inflation ist in den USA auch mit Gewerkschaften verknüpft, die für ihre Mitglieder höhere Gehälter verhandeln, woraufhin im Anschluss die Preise für alle ansteigen. Damit rücken die Gewerkschaften in der öffentlichen Wahrnehmung teilweise in die Nähe der organisierten Kriminalität.

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