"Europa – Infrastrukturen der Externalisierung (Arch+ 239)" von Arch+

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    Extrem faszinierender Einblick in das Verhältnis zwischen Europa und Afrika und die Rolle, die Infrastruktur in diesem Zusammenhang spielt. Eher akademisch-theoretisch, aber sowas mag ich ja besonders.

    Podcast

    Zusammenfassung

    Die Zeitschrift fokussiert darauf, wie die Infrastruktur Europa prägt und auch dessen kolonialisitisches Erbe in Afrika. Europa ist dabei primär als Infrastruktur für einen Markt konstruiert, der Afrika als ressourcenreiches Hinterland begreift, das ausgebeutet werden kann. 2/

    Europa als Projekt funktioniert über Infrastruktur, die erstmal eine technische Konnektivität herstellt, aus der dann eine soziale Kollektivität entstehen kann. Gleichzeitig bestimmt aber auch die Logik der Konnektivität den Charakter der Kollektivität. 3/

    Europa ist kaum symbolisch oder politisch repräsentiert, sondern in erster Linie über die Infrastruktur - physisch, aber auch politisch und administrativ. Es fällt nur dann auf, wenn es hakt. 4/

    Infrastruktur dient in erster Linie der bedarfsorientierten “Problemlösung”, während Architektur den alltäglichen Lebensvollzug unterstützt. Das Problem: Archtitektur wird immer technizistischer gedacht, eben als Problemlösung 5/

    Knotenpunkte sind wichtige Elemente des Lebens, in denen wir immer mehr Zeit verbringen. Sie werden überhaupt erst durch menschliche Aktivität verbunden und müssen mehr als “Lebensraum gedacht werden: Für viele Menschen ist das Unterwegs-Sein Alltag! 6/

    Ein Privileg im “Westen” ist, dass wir uns auf das Funktionieren unserer Infrastruktur fast blind verlassen können. Sie ist aber auch ein empfindlicher Angriffspunkt, wenn uns jemand etwas Böses will. 7/

    Infrastruktur kann auch rein legalistisch sein: So gibt es kapitalistische Formen, die ihre Räumlichkeit nur legal konstruiert bekommen: Ein Beispiel ist der “§Freeport” in Luxemburg, in dem Kunst lagert, die zwar fleißig gehandelt wird, aber meist vor Ort bleibt. 8/

    Während “Free Zones” transnationale Mobilität anziehen sollen, dienen “Hotspots” dazu diese zu verhindern - hier wird deutlich zwischen erwünschter und nicht erwünschter Mobilität unterschieden. Beide arbeiten mit Mitteln der Isolierung. 9/

    Grenzkontrollen werden immer stärker von der Grenze an den Ursprungsort verlagert. Damit entsteht auf dem territorialen Raum eines Landes eine räumlilche Differenzierung zwischen Regionen, die Teil eines globalen Handelsnetzes sind und solchen, die dies nicht sind. 10/

    Migrationskontrolle ist nicht länger Grenzkontrolle, sondern Bewegungskontrolle, die bereits möglichst früh als mögliche Migration erkannt werden kann und die dann verhindert werden soll. Dazu ist ein umfassender Überwachungsapparat nötig. 11/

    Das Meer fungiert erstmal als ein Raum ohne Strukturen und bietet damit Platz für “Entrechtete, Habenichtse, Versklavten, Piraten, Geflüchteten, …” Hier wurden im Laufe der Zeit aber auch immer mehr manifeste Infrastrukturen geschaffen.. 12/

    Es gibt immer mehr Räume, die als Ausnahmeräume definiert werden, in denen gesellschaftliche Regeln nicht gelten. Wird dies bisher meist positiv geframed, sind auch Ausnahmen möglich, in denen Schutzrechte vor dem Staat außer Kraft gesetzt werden - z. B. Flüchlingslager. 13/

    Die Europäische Integration im Verlauf des 20. Jahrhunderts war immer auch ein Projekt der Kolonialisierung Afrikas. Von der paneuropäischen Bewegung in den 1920ern bis hin zu der EWG, die die Ausbeutung afrikanischer Rohstoffe explizit als strategisches Ziel einband. 14/

    Diese “mission civilizatrice”, nach der Afrika durch Europa modernisiert werden solle wirkt bis heute: Afrika dient dabei in erster Linie als Lieferant von Rohstoffen, als Absatzmarkt für Produkte und (damals) Siedlungsraum - klassische kolonialistische Motive. 15/

    Europa sichert schon seit langem seine Interessen in Afrika über Infrastrukturprojekte und Auslandsinvestitionen. Dabei arbeitet es nicht - wie China - mit Krediten, sondern stellt sicher, dass die Infrastruktur dazu dient, Güter nach Europa zu transportieren. 16/

    In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es die Idee Atlantropas - ein gigantisches Infrastrukturprojekts, bei dem zwei Staudämme den Meeresspiegel im Mittelmehr abgesenken, um neues Land zu gewinnen und eine Landbrücke nach Afrika zu schaffen. 17/

    “Atlantropa” schien ein unpolitisches Ingenieursprojekt zu sein, sollte aber in erster Linie die enge Bindung Afrikas an Europa sicherstellen und seine Rolle als Hinterland zementieren. 18/

    In Afrika wurden während der Unabhängigkkeitsprozesse andere Formen technokratischer Souveränität ausprobiert. Dort wurden politische Fragen ausgeblendet und Regionen auf ihre ökonomische Funktion - für Europa - reduziert. 19/

    Die “Externalisierungsgesellschaft” (Lessenich) pervertiert Kants goldene Regel, indem sie die negativen Konsequenzen anderen aufbürdet, die außerhalb der eigenen Welt stehen: “Was du nicht willst, das man dir tu, das füg halt einem anderen zu” 20/

    Die “Externalisierungsgesellschaft” braucht ein klar definiertes “Außen”, dem diese Dinge zugefügt werden können, ohne dass sie das eigene moralische Empfinden belasten. 21/

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