"Amerikas Gotteskrieger" von Annika Brockschmidt
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In Amerikas Gotteskrieger arbeitet Annika Brpckschmidt heraus, wie eine unheilvolle Allianz aus konservativem Libertarismus, evangelikalem Nationalismus und White-Supremacy-Rassismus in den USA einen christlich-nationalistischen Staat erschaffen will. Sie zeigt ideologische Hintergründe auf, macht dabei aber auch deutlich, dass diese in erster Linie strategisch eingesetzt werden, um Macht bzw. Reichtum zu erhalten oder zu gewinnen.
Podcast
Zusammenfassung
Ideologie des christlichen Nationalismus
In den USA hat sich in den letzten Jahrzehnten eine unheilvolle Allianz aus konservativem Libertarismus, dominionistischem Evangelikalismus und White-Supremacy-Rassismus gebildet. Dessen Ziel ist die Schaffung eines christlich-religiösen und weißen Staates, um auf diese Weise die Bestimmung der USA als durch Gott auserwähltes Land zu realisieren. Die sei auch bereits durch die Gründerväter vorgesehen gewesen, die nie eine Trennung von Staat und Religion vorgesehen hätten.
Progressive und säkulare Entwicklungen sind dabei eine Bedrohung, die das Land am Tag der “Rapture” dem Teufel in die Arme treiben wird und die deshalb mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müssen. Deswegen wenden sich cN auch vom Staat ab, den sie als Agenten des Säkularismus sehen. (->Libertarismus)
Weiße Christen in den USA sehen sich als Verfolgte und als solche zu jedem Widerstand - insbesondere bewaffnetem - berechtigt. Eine Quelle dieses Mythos ist das Massaker an der Columbine Highschool, das von Atheisten verübt wurde. Auch in der christlichen Popkultur ist das Narrativ des gewalttäigen Kampfes einer kleinen Gruppe sehr präsent, die durch ultimative Zerstörung eine Utopie schafft - eine christliche oder eine weiße.
Politischer Kampf statt Ideale
1980 wie 2016 entschied sich die Religiöse Rechte, nicht einen Kandidaten zu unterstützen, der ihre Ideale lebt, sondern einen, der Politik in ihrem Sinne betreibt. Als von Gott auserwählter Kämpfer sind dieser Person dann alle ihre “Sünden” vergeben. Dazu passt auch , dass die Religion nicht in erster Linie spirituell gelebt wird, sondern manifest im Alltag: über Prediger, Bücher und Medien. Damit ähnelt sie dem us-amerikanischen Fahnenpatriotismus.
Für die Evangelikalen in den USA spielt mittlerweile ein sehr aggressives und machohaftes Männlichkeitsbild eine ganz zentrale Rolle: Ihnen zufolge braucht es einen harten Hund, um die religiöse Welt, das weiße Amerika, vor den Bedrohungen der Moderne und des Auslands zu schützen. Dabei wird auch Jesus gerne als harter Kämpfer verbrämt und seine Botschaft der Nächstenliebe und der Vergebung wird als Schwäche interpretiert. Hieraus erklärt sich auch ihre Sympathie für autoritärer Führer wie Putin oder Orban. Moral und Ideologie ist dabei egal, es zählt ihre Stärke. Die religiöse Rechte wartet bereits seit langem auf so einen “Wolfskönig”
Eng mit diesem Bild von Männlichkeit und Führung verbunden ist auch das Bild der Unterwerfung der Frau unter den Mann, was nur dann möglich ist, wenn der Mann entsprechend aggressiv auftritt.
Reaktionäres Welt- und Menschenbild
Die Kernfamilie ist ein wichtiges Elemente der christlich-nationalistischen Ideologie, die ein archaisches Rollen- und insbesondere Frauenbild bedient: Darin wird gelehrt, dass Jungen ihrem Sexualtrieb ausgeliefert sind, während Mädchen ihre eigene “Unschuld” unbedingt zu bewahren haben. Dabei wird die weiße Frau als züchtig und kontrolliert markiert, die Schwarze hingegen als zügellos. Von dieser Idee der körperlichen Reinheit ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Ideen der Reinheit eines “Volkskörpers”.
Neuformierung der Rechten ergab sich nicht aus der Liberalisierung der Abtreibung, sondern aus der Aufhebung der Segregation. Das Mobilisierungspotential war hier jedoch nicht mehr groß genug und so musste auf der nationalen Bühne ein anderes Thema her: Abtreibungen. Es diente erst nur als Fassade, ist mittlerweile aber zum Markenkern gegworden.
Nähe zum Libertarismus
Aus einer libertär-christlichen Perspektive ist Wohltätigkeit nur dann adäquat, wenn sie von christlichen Einrichtungen stammt und nicht vom säkularen Staat. Gerade über George W. Busch flossen daher großen Mengen Steuergeld in religiöse Organisationen und ihre Wohltätigkeit, während staatliche oder säkulare Einrichtungen weniger Geld bekamen. Hier grenzt sich der weiße Evangelikalismus auch stark vom Schwarzen ab, der angetrieben von der Bürgerrechtsbewegung immer eng mit sozialen Fragen verbunden war.
Das Motto “In God We Trust” stammt nicht, wie meist erzählt, von den Gründungsvätern, sondern aus den 1930er/40er Jahren aus einer fundamentalistischen Allianz aus Christentum und Kapitalismus gegen den New Deal Roosevelts.
Der konservative Libertarismus ähnelt in hohem Maße dem “Wohlstandsevangelium” deren Televangelisten, nachdem eine ausreichende “Investition” zukünftigen Erfolg sichern kann. Dazu statttet Gott die Gläubigen mit den notwendigen Fähigkeiten aus und schafft dann Möglichkeiten, mit diesen Wohlstand zu erlangen. Auf diese Weise entsteht die Illusion der Kontrolle über das eigene Schicksal und erfolgreiche Menschen werden automatisch zu “guten”. (-> Im Grunde die endgültige Realisierung von Max Webers Argument in seiner Ethik des Prrotestantismus)
Beide Ideologien haben auch gemeinsame Interessen: Eine Individualisierung der Gesellschaft, einen möglichst schwachen Staat und eben den Erhalt des Reichtums einer kleiner Gruppe vorwiegend weißer Männer.
Politische Strategie
Die christlichen Nationalisten verfolgen eine langfristige Strategie, ihren Einfluss zu erweitern, Menschen zu mobilisieren und wichtige administrative Stellen im Staat zu besetzen: von den School Boards über Gerichte und schließlich Ministerien. Dabei werden bewusst moralisch aufgeladene Themen zu Mobilisierung genutzt und mit der weiten Vernetzung der Evangelikalen kombiniert:
Seit den 1950er zogen sich Evangelikale in das Private zurück und wurden daher öffentlich kaum wahrgenomme. Tatsächlich entstand in dieser Zeit ein unabhängiges Netzwerk von Medien. Die heutige Infrastruktur der religiösen Rechten in den USA ist die Konsequenz der Wahlniederlange Barry Goldwaters 1964. Hier formulierte Weyrich die Idee, mehr auf “moralische” Themen zu setzen und weniger auf ökonomische. Im Anschluss wurde eine steng-hierarchische politische Maschinierie mit einem großen Netzwerk aus Pastoren und einem großen Datensatz für das Massenmarketing per Post verbunden. Auf diese Weise werden Wähler:innen unterstützt, “biblisch” zu wählren.
Organisationen des christlichen Nationalisten verfassen Gesetzesentwürfe für die lokale Ebene und unterstützen lokale Politiker:innen dabei, diese durch- und unzusetzen. Dabei können sie auf ein großen Netzwerk zurückgreifen und entsprechend Schlagkraft entwickeln. Auch die gezielte Besetzung von Richterposten auf allen Ebenen steht in diesem Zusammenhang.
Unterstützt werden diese Prozesse von einem weit verzweigten und einflussreichen Mediennetzwerk, dass den Informationsalltag eines großen Teils der Amerikaner prägt, aber von seriösen Medien weitgehend entkoppelt agiert: Dieses konnte sich insbesondere nach dem Verschwinden des unabhängigen Lokaljournalismus in vielen Regionen des Landes etablieren. Für die Einordnung eigener Gewalttaten werden dabei zwei narrative Strategien genutzt: das Verstärken des ewigen Zweifels an den Berichten der klassischen Medien und sogar der eigenen Wahrnehmung auf der einen Seite und das Herunterspielen des Geschehenen auf der anderen Seite.
Die Wahlniederlage Trumps war für die christlichen Nationalisten nur ein kleiner Rückschlag, der es nicht wert war, die Glaubwürdigkeit des parteiischen Supreme Court auf Spiel zu setzen. Es hängt nun alles an der Wahlrechtsreform und damit verbunden an der Abschaffung des Filibuster, mit dem die Republikaner diese Reform verhindern können. Gleichzeitig werden die Wahlrechte insb. marginalisierter Gruppen weiter ausgehölt und auch die Möglichkeit, administrativer Entscheidungen über Wahlergebnisse ausgeweitet.